Radioaktive Abfälle fallen in der Schweiz täglich an. Sie entstehen bei der Stromproduktion in den vier Kernkraftwerken (KKW), beim Rückbau des KKW Mühleberg, aber auch in der Medizin, Industrie und Forschung. Aufgrund ihrer unterschiedlichen radiologischen Eigenschaften wird bei den radioaktiven Abfällen zwischen hochaktiven Abfällen (HAA) und schwach und mittelaktiven Abfällen (SMA) sowie alphatoxischen Abfällen (ATA) unterschieden. Die HAA umfassen die abgebrannten Brennelemente aus den Kernkraftwerken und verglaste Spaltprodukte aus der Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennelementen. Die SMA bestehen im Wesentlichen aus Betriebs-, Reaktor- und Stilllegungsabfällen aus den Kernkraftwerken und Abfällen aus den Bereichen Medizin, Industrie und Forschung. Die ATA umfassen eine eher geringe Menge von Abfällen, deren Radioaktivität durch eine besonders hohe Aktivität an Alphastrahlung charakterisiert ist.
Bis 2075 entsteht ein Volumen von rund 80'000 Kubikmetern (siehe Tabelle unten). Rund 90 Prozent davon sind SMA, der grösste Teil davon fällt erst beim Rückbau der Kernkraftwerke an. Je nach Abfallkategorie müssen diese Abfälle mehrere zehntausend bis zu einer Million Jahre sicher gelagert werden, bis sie keine Gefahr mehr für Mensch und Umwelt darstellen. Momentan sind die Abfälle in gut gesicherten Hallen an der Erdoberfläche untergebracht. Diese befinden sich bei den Kernkraftwerken und in zwei zentralen Zwischenlagern im Kanton Aargau (s. Bild oben: Zwilag).
Typ
Volumen [m3] (endlagerfähig verpackt)
Volumen [m3] (konditioniert, unverpackt)
Aktivität [Bq] (Stichjahr 2075)
Anteil an Volumen (verpackt)
Anteil an Gesamtaktivität
Schwach- und mittelaktive Abfälle
72'274
42'727
2,9 x 1016
88%
0,1%
Alphatoxische Abfälle
981
289
1,3 x 1016
1%
0,1%
Hochaktive Abfälle
9280
1490
1,9 x 1019
11%
99,8%
Total
82'534
44'506
Abfallmengen und -aktivitäten gemäss Entsorgungsprogramm 2021, Tab. 2.1-1, S. 13, Szenario 2b (60 Jahre Laufzeit der bestehenden Kernkraftwerke, Mühleberg 47 Jahre) und MIRAM-RBG (Nagra NTB 22-05, 2023) Tab. 7-4, S. 50.
Wer Radioaktivität nutzt, muss sich auch um die Entsorgung der dabei anfallenden Abfälle kümmern. Es ist ihre Pflicht gegenüber nachfolgenden Generationen, die Entsorgungsfrage heute anzugehen. Wie das geschehen soll, ist im Kernenergiegesetz vorgegeben. Auf dem Weg zu diesem Gesetz, hatte das UVEK die «Expertengruppe Entsorgungskonzepte für radioaktive Abfälle» (EKRA) eingesetzt. Diese kam zum Schluss, dass die geologische Tiefenlagerung die bestmöglichste Methode zur Entsorgung der radioaktiven Abfälle ist. Nur sie erfüllt den Anspruch an die Langzeitsicherheit über mehr als 100 000 Jahre.
Der Kenntnisstand wird auf der Suche nach einem Standort für das Tiefenlager laufend erhöht und neue Kenntnisse werden stetig einbezogen. Der Entscheid, das Tiefenlager nach der Beobachtungsphase endgültig zu verschliessen, wird dabei bewusst den künftigen Generationen überlassen. Das Konzept der EKRA wurde 2003 ins Kernenergiegesetz übernommen. Dabei übt der Bund die Aufsichtsfunktion über die Entsorgung aus und leitet das Standortauswahlverfahren.
Zum Stichwort Transmutation: Diese soll durch gezielte Behandlung der Abfälle für weniger langlebige Abfälle sorgen. Zum heutigen Zeitpunkt steht der Nachweis der grosstechnischen Machbarkeit noch aus. Und selbst wenn Transmutation dereinst im grossen Stil betrieben werden könnte: es bleiben immer radioaktive Abfälle übrig, die in ein geologisches Tiefenlager verbracht werden müssten.
Die Frage nach einer sicheren Lagerung von radioaktiven Abfällen wurde in der Schweiz lange und intensiv diskutiert. Zur Klärung setzte der Bundesrat 1999 die «Expertengruppe Entsorgungskonzepte für radioaktive Abfälle» (EKRA) ein. Sie erhielt den Auftrag, Grundlagen zu erarbeiten, um die zur Debatte stehenden Entsorgungskonzepte zu vergleichen. Einzig die geologische Tiefenlagerung gewährleistet den erforderlichen langfristigen Schutz von Mensch und Umwelt.
Die Geschichte zeigt, dass Gesellschaften über längere Zeiten nicht stabil sind und gesellschaftliche Entwicklungen (z. B. Kriege, Epidemien) ein Risikofaktor sind. Selbst ein heute stabiles Land wie die Schweiz besteht erst seit weniger als 200 Jahren in ihrer jetzigen Form. Nur die Lagerung in geologisch stabilen Gesteinen garantiert die Sicherheit über die langen Zeiträume, die es braucht, dies ist wissenschaftlich weltweit anerkannt. Im Gegensatz zu Gesellschaften können Gesteinsschichten über Millionen von Jahren stabil sein und ihre Eigenschaften beibehalten. Im Untergrund steht die Zeit quasi still, unabhängig von den Geschehnissen an der Erdoberfläche. Geologische Tiefenlager sind daher aus heutiger Sicht die einzige zuverlässige Option zur langfristigen und sicheren Entsorgung von radioaktiven Abfällen. Eine Lagerung an der Erdoberfläche wird dem Ziel der Langzeitsicherheit nicht gerecht.
Es bestehen unterschiedliche Reaktortypen (Siede- und Druckwasserreaktoren) und Hersteller von Brennelementen (und damit auch der Brennstäbe). Generell lässt sich aber für die 5 Schweizer Reaktoren zusammenfassen: In der Regel sind Brennstäbe zwischen 3.5 und 4.5 Meter lang mit einem Durchmesser von gut 1 cm. Ca. einhundert bis knapp dreihundert Brennstäbe werden über Abstandshalter und Kopf- und Fussstücke aus Edelstahl zu einem Brennelement gebündelt. Ein Brennstab wiegt ca. 2 Kilogramm und ein Brennelement entsprechend zwischen 200 und 600 Kilogramm.
In den meisten Ländern werden Lösungen gesucht oder teilweise bereits realisiert, welche die Lagerung in geeigneten geologischen Schichten anstreben. Beispielsweise sind für schwach- und mittelaktive Abfälle in Finnland und Schweden bereits unterirdische Lager in Betrieb, in Frankreich Lager an der Oberfläche. Für hochaktive Abfälle besteht ein geologisches Tiefenlager in Finnland. Die Einlagerung beginnt Ende 2020. Schweden hat sich ebenfalls bereits für einen definitiven Standort entschieden.
Auch im Ausland werden die hochaktiven Abfälle bis zur realisierten Lösung entweder dezentral bei den Kraftwerken oder zentral in Zwischenlagern gelagert.
Die in der Schweiz anfallenden radioaktiven Abfälle müssen grundsätzlich in der Schweiz entsorgt werden, so schreibt es das Gesetz vor. Deshalb suchen die Verantwortlichen nach Lösungen im Inland und bereiten diese vor. Auch alle EU-Länder müssen ihre eigenen Abfälle im Grundsatz bei sich entsorgen.
In verschiedenen Gremien tauschen Expert/innen stetig ihr Wissen und ihre Erfahrung aus. Internationale Lösungen werden dabei immer wieder diskutiert, es besteht aber kein konkretes Projekt für ein multilaterales Lager.
Die Schweiz ist in verschiedenen internationalen Gremien vertreten und eingebunden:
die Internationale Atomenergieagentur IAEA, eine Unterorganisation der UNO. Sie fördert die internationale Zusammenarbeit im Bereich der Kernenergie.
die Nuclear Energy Agency NEA, eine Unterorganisation der OECD. Sie dient als Forum des Austausches von Wissen und Erfahrung und unterstützt die Mitgliedstaaten bei technischen Expertisen.
Die Joint Convention (Internationales Übereinkommen über die Sicherheit der Behandlung abgebrannter Brennelemente und über die Sicherheit der Behandlung radioaktiver Abfälle) will weltweit eine hohe Sicherheit im Umgang mit radioaktiven Abfällen erreichen. Es unterstützt nationale Massnahmen und internationale Kooperation.
Das Strahlenschutzgesetz und das Kernenergiegesetz fordern beide, dass die hier anfallenden radioaktiven Abfälle grundsätzlich in der Schweiz entsorgt werden müssen. Ausnahmen und damit die Entsorgung im Ausland wären unter gewissen Voraussetzungen möglich. Alle Staaten mit einem fortgeschrittenen Entsorgungsprogramm haben aber Gesetze erlassen, welche die Einfuhr von ausländischen radioaktiven Abfällen verbieten. Für die Schweiz zeichnet sich also keine Möglichkeit zur Beteiligung an einem ausländischen Projekt ab. Die Entsorgungspflichtigen in der Schweiz müssen deshalb inländische Projekte vorantreiben.
Das Gesetz lässt eine Einlagerung von Abfällen aus dem Ausland unter strengen Bedingungen grundsätzlich zu. Die Entsorgungspflichtigen in der Schweiz schliessen eine Einlagerung von ausländischen Abfällen in einem geologischen Tiefenlager in der Schweiz indes aus. Und zuletzt ist in Deutschland der Export radioaktiver Abfälle ins Ausland gesetzlich verboten. Es ist also nicht ausgeschlossen, aber sehr unwahrscheinlich, dass deutsche Abfälle in der Schweiz entsorgt werden.
Die Sicherheit hat bei der Standortsuche oberste Priorität. Die für die Lagerung radioaktiver Abfälle geeigneten geologischen Schichten liegen mehrheitlich in der Nordostschweiz und in Grenznähe zu Deutschland. Dies ist das Ergebnis geologischer Untersuchungen. Weil geologisch-tektonisch komplexe Gebiete wie die Alpen oder der Jura garantiert die Sicherheit nicht gleich gut.
Ein geologisches Tiefenlager und dessen Infrastruktur an der Oberfläche müssen vollständig auf Schweizer Gebiet liegen.
Die genaue Platzierung und Erschliessung der Infrastruktur an der Oberfläche wurde und wird mit den Regionalkonferenzen diskutiert und ist noch nicht abgeschlossen. Wo dereinst die Transporte der radioaktiven Abfälle durchführen werden, ist heute noch nicht festgelegt. Je nach Standort erfolgt der Transport über Schiene oder Strasse. Eine Erschliessung eines Tiefenlagers über deutsches Gebiet ist nicht vorgesehen.