Woraus besteht die Oberflächenanlage?
Die Oberflächenanlage umfasst folgende Bereiche:
- Bereich Annahme, wo die Abfälle kontrolliert und angenommen werden.
- Bereich Verpackung, wo die hochaktiven Abfälle in Endlagerbehälter umverpackt werden. Diese Anlage – auch bekannt als «Heisse Zelle» – wird womöglich nicht bei der Oberflächenanlage sein. Die schwachaktiven Abfälle werden in die Endlagerbehälter aus vorgefertigtem Beton umgeladen.
- Bereich Auslieferung, wo der Übergang zu den unterirdischen Anlagen vorbereitet wird.
- Bereich Service, wo sich die Anlagen für die Sicherung, die Administration, die Werkfeuerwehr und die Lüftung befinden.
Wie und wo kommt die Abluft an die Oberfläche?
Die Anlagen unter Tage werden über den Lüftungsschacht mit Frischluft versorgt. Die Abluft wird über den Hauptzugang (aus dem Einlagerungsbereich) sowie den Betriebszugang (aus dem Bereich neu zu erstellenden Stollen und Kavernen) abgeführt und vor dem Ausblasen kontrolliert und gefiltert werden.
Wie gross ist der Flächenverbrauch nach Verschluss? Und wie lange bleiben die Anlagen zugänglich?
Nach Verschluss des Hauptlagers folgt die Beobachtungsphase. Sie wird nach heutigem Verständnis mehrere Jahrzehnte dauern. Gemäss Kernenergieverordnung verordnet das zuständige Departement die Dauer und kann diese bei Bedarf auch verlängern.
Während der Beobachtungsphase bleiben die Nebenzugänge offen (Betriebs- und Lüftungszugang). Gemäss einem Nagra Arbeitsbericht werden für die Nebenzugangsanlagen insgesamt zwischen 3 und 4,5 Hektaren benötigt. Die Flächen sind mitunter von der Konfiguration abhängig (z. B. Lage zu einander).
Was sind die Vor- und Nachteile einer Verpackungsanlage an einem anderen Ort als der Oberflächenanlage?
Die Nagra hat hierzu einen Bericht veröffentlicht. Die Vor- und Nachteile einer solchen externen Verpackungsanlage für hochaktive Abfälle werden gegenwärtig von den Regionalkonferenzen gemeinsam diskutiert und beurteilt.
Auf Wunsch der Betreiber der KKW Gösgen und Leibstadt wurden 2019 für die beiden Standorte Machbarkeitsstudien angedacht, um zu prüfen, ob diese als Standorte für externe Verpackungsanlagen geeignet sein könnten. Nach ersten Vorabklärungen wurde die Idee wieder verworfen. Hauptgrund dafür war die absehbare zeitliche Lücke von rund fünfzehn Jahren zwischen Stilllegung der Kraftwerke und dem Baubeginn des Tiefenlagers. Wenn das Tiefenlager gebaut wird, existieren die Kraftwerke höchstwahrscheinlich gar nicht mehr, es gäbe entsprechend keine Synergien.
Wie werden das Lager und die Oberflächeninfrastruktur vor Gefahren und Katastrophenfällen geschützt?
Das UVEK hat am 17. Juni 2009 eine Verordnung über die Gefährdungsannahmen und die Bewertung des Schutzes gegen Störfälle in Kernanlagen in Kraft gesetzt. Alle möglichen Störfälle sind darin geregelt:
Die Nagra muss für Störfälle mit Ursprung ausserhalb der Anlage verschiedene Auswirkungen berücksichtigen und bewerten: Erdbeben, Überflutung, Flugzeugabsturz, extreme Wetterbedingungen, Blitzschlag, Explosionen, Brand und weitere daraus entstehende Gefahren (Details siehe Link unten). Beim Schutz gegen Flugzeugabsturz muss sie denjenigen Flugzeugtypen berücksichtigen, der die grössten Stosslasten auf Gebäude ausübt.
Im Kernenergiegesetz ist geregelt, wie Kernanlagen gesichert werden müssen: Es müssen Sicherungsmassnahmen getroffen werden, um die Sicherheit zu garantieren und Entwendung von radioaktiven Materialien zu verhindern. Die Massnahmen müssen klassifiziert werden.
Die Nagra hat mit ihrem technischen Bericht 13-01 eine Auslegeordnung dokumentiert. Naturgefahren und Gefahren, die beispielsweise von militärischen Anlagen oder Gasleitungen ausgehen, wird bei der Platzierung der Oberflächeninfrastruktur entweder ausgewichen oder deren mögliche Auswirkungen auf die Anlage und den Betrieb so begrenzt, dass die Risiken zu bewältigen sind. Ereignisse und Einwirkungen von aussen wie beispielsweise Flugzeugabstürze werden bei der Anlagenauslegung durch ausreichende Stärke der Gebäudehüllen berücksichtigt. So wird selbst bei einem allfälligen Störfall der erforderliche Schutz der Sicherheitssysteme und radioaktiven Abfälle sichergestellt. Dabei muss sie die dann aktuellen Gefährdungsannahmen und behördlichen Anforderungen berücksichtigen und umsetzen.
Zur Auslegung der Anlage gehört auch die bauliche und technische Sicherung vor unbefugtem Zutritt. Die Sicherung der Anlage wird zudem organisatorisch und administrativ ergänzt u.a. durch Wachbetrieb und Zutrittskontrolle.
Für den Nachweis der Machbarkeit und die Wirkung solcher Massnahmen kann auf bestehende nationale und internationale Anlagen verwiesen werden, beispielsweise Kernkraftwerke oder das Zwilag.
Können die Verantwortlichen garantieren, dass ein Erdbeben die Sicherheit eines geologischen Tiefenlagers nicht beeinträchtigt?
Für Anlagen an der Oberfläche wie im Untergrund gilt gleichermassen, dass sie erdbebensicher gebaut sein müssen, genau wie alle Kernanlagen (z. B. Zwilag, Kernkraftwerke). Für die Sicherheit eines geologischen Tiefenlagers muss zudem die Wirkung von Erdbeben auf Anlagen an der Erdoberfläche und im Untergrund getrennt betrachtet werden. Erdbeben wirken sich unter Tage weniger stark aus als an der Erdoberfläche. Bauten im Untergrund können allseitig mit dem Felsen verbunden werden und im Gegensatz zu einem Gebäude an der Oberfläche nicht frei schwingen. Lagerstollen sind deshalb entsprechend wenig gefährdet. Nach einer Verfüllung ist die Stabilität zusätzlich erhöht. Ein Einsturz von Anlagen unter Tage kann so ausgeschlossen werden. Dies zeigen weltweite Erfahrungen, beispielsweise bei Tunnels, Bergwerken, etc.
Für Bauten an der Oberfläche gelten die gleichen Anforderungen wie für andere Kernanlagen auch, z. B. das Zwischenlager in Würenlingen, wo heute hochaktive Abfälle gelagert werden. Dieses Zwischenlager wurde beim Bau für ein Erdbeben ausgelegt, das gemäss Erdbebenstudien in dieser Region nur einmal in 10’000 Jahren auftritt. Damit werden nach gesetzlicher Grundlage auch seltene grosse Erdbeben abgedeckt.
Könnten die Abfälle am Zwischenlager verpackt und anschliessend unterirdisch zum Tiefenlager verbracht werden? So entfiele die Verpackungsanlage bei der Oberflächenanlage.
Die hochaktiven Abfälle werden vom Zwischenlager entweder in den bestehenden Transport- und Lagerbehältern zur Oberflächenanlage transportiert und dort für die Einlagerung im Tiefenlager verpackt. Oder die bereits extern verpackten Abfälle werden mit zusätzlichen Shuttle-Overpack-Behältern zur Oberflächenanlage transportiert. Dort werden die in Transportbehältern verpackten Endlagerbehälter unabhängig vom Ort der Verpackung auf das anlageninterne Transportsystem umgeladen (z. B. Transportlift oder Stollenbahn) und ins Tiefenlager verbracht. Bei der Oberflächenanlage wird deshalb immer ein Umladen stattfinden.
Ein direkter Tunnel zwischen Zwilag und den Oberflächenanlagen in den Regionen Nördlich Lägern und Zürich Nordost ist unverhältnismässig (u. a. Zusatzbelastungen durch Baustellen, Kosten) für die geringe Anzahl an Transporten während 20 Jahren, die nachweislich sicher gestaltet werden können.
Warum findet das Umpacken nicht unter der Erde statt, sondern an der Oberfläche?
Die Umverpackung der hochaktiven Abfälle von Transport- und Lagerbehältern in Endlagerbehälter braucht eine Umladezelle («heisse Zelle») mit diversen Nebenstationen. Für eine untertägige Anlage würde deshalb ein grosses Kavernenvolumen benötigt, welches geotechnisch geeignet sein müsste. Nur so könnten die Abläufe in der Anlage sicherheitstechnisch und betrieblich sichergestellt werden. Der Bau dieser untertägigen Hohlräume würde zudem umfangreiche Arbeiten mit sich bringen. Sicherheitstechnisch hat eine solche Anlage keine Vorteile gegenüber einer robust ausgelegten Anlage an der Oberfläche.
Warum müssen die Abfälle für den Transport vom Zwischenlager zur Oberflächenanlage überhaupt umgepackt werden und dort noch einmal?
Für den sicheren Transport über das öffentliche Verkehrsnetz werden die Abfälle in speziell dafür ausgelegten Behältern transportiert. Diese gewährleisten u. a. die erforderliche Abschirmung und Unfallsicherheit. Die Endlagerbehälter sind hingegen auf die langfristige Tiefenlagerung ausgelegt.
Deshalb müssen die abgebrannten Brennstäbe entweder in den heute vorhandenen Transport- und Lagerbehältern zur Oberflächenanlage gebracht und dort umverpackt werden oder von einer externen Verpackungsanlage aus in Endlagerbehälter verpackt mit einem zusätzlichen Behälter zur Oberflächenanlage transportiert werden.
Müssen spezielle Behälter entwickelt werden für den möglichen Transport von der Verpackungsanlage zur Oberflächenanlage?
Wenn abgebrannte Brennstäbe nicht bei der Oberflächenanlage in Endlagerbehälter verpackt werden, müssen diese über das öffentliche Verkehrsnetz transportiert werden. Dafür braucht es Shuttle-Overpack-Behälter, die entwickelt und zertifiziert werden müssen. Sie müssen strenge nationale und internationale Anforderungen bezüglich Sicherheit und Qualitätsprüfung erfüllen. Solche Behälter sollen beispielsweise in Schweden zum Transport der Endlagerbehälter von der Verpackungsanlage zum Tiefenlager zum Einsatz kommen.
Besteht ein Unterschied bei der Abgabe von Strahlung zwischen Lagerbehältern und Transportbehältern?
Für die Zwischenlagerung der hochaktiven Abfälle werden Transport- und Lagerbehälter eingesetzt. Diese sind speziell für Transporte auf öffentlichen Verkehrswegen und die Zwischenlagerung entwickelt worden. Aufgrund der an die Behälter gestellten Anforderungen aus dem Transportrecht bzgl. Abschirmwirkung resultiert eine sehr geringe Dosisleistung direkt auf der Aussenseite des Behälters (die sogenannte Oberflächendosisleistung).
Die Endlagerbehälter für hochaktive Abfälle dienen insbesondere der sicheren und langfristigen Einlagerung der Abfälle in tiefen geologischen Schichten. Die abschirmende Wirkung ist geringer als bei den Transport- und Lagerbehältern, wodurch sowohl für einen potenziellen Transport auf öffentlichen Verkehrswegen als auch für den internen Transport im Tiefenlager ein Overpack-Behälter benötigt wird, der die erforderliche Abschirmwirkung der Direktstrahlung sicherstellt.
Sind Schweissnähte an den Behältern eine Gefahrenquelle?
Radionuklide müssen gemäss ENSI-Richtlinie G03 während tausend Jahren ab Einlagerung durch die Lagerbehälter vollständig eingeschlossen werden. Die Nagra muss diese Einschlussfähigkeit der Lagerbehälter aufzeigen.
Grundsätzlich könnten Schweissnähte die Einschlussfähigkeit des Behälters mindern, falls diese qualitativ nicht genügend ausgeführt werden. Die Nagra muss durch qualitätssichernde Massnahmen sicherstellen, dass die Ausführung der Schweissnähte korrekt erfolgt. Die Nagra begleitet und verfolgt aktiv Entwicklungsarbeiten zum Thema Endlagerbehälter und Verschluss derselben.
Wie werden die Transportbehälter nach Gebrauch entsorgt?
Sowohl Transport- und Lagerbehältern als auch Shuttle-Overpack-Behälter werden nicht mehr benötigte Behälter sachgerecht entsorgt. Alle Komponenten des Behälters werden hierzu auf Kontamination überprüft, allenfalls gereinigt bzw. dekontaminiert, abschliessend freigemessen (d. h. die Behälter sind danach aus dem Geltungsbereich des Strahlenschutzes entlassen) und letztlich konventionell entsorgt. Die Behälter können auch in einzelne Teilkomponenten zerlegt werden. Falls Komponenten der Behälter nicht freigemessen werden können, werden sie als schwach radioaktiver Abfall behandelt und im Tiefenlager eingelagert. Die genannten Arbeitsschritte können entweder direkt auf dem Gelände der Oberflächenanlage oder auch extern durchgeführt werden.
Warum werden die Abfälle gemäss aktueller Planung dereinst trocken umverpackt und nicht in einem Nasslager?
Weltweit werden Anlagen zur Zwischenlagerung von abgebrannten Brennelementen in Transport- und Lagerbehältern (trocken) oder in Wasserbecken (nass) betrieben. So auch in der Schweiz z. B. im ZWILAG (trocken) und beim Kernkraftwerk Gösgen (nass).
Dem Referenzprojekt mit einer Verpackung beim Tiefenlager wurde eine trockene Umverpackung zugrunde gelegt. Grundsätzlich spricht aber im Zusammenhang mit der Verpackung der Abfälle nichts gegen die eine oder die andere Methode.
Auf welchen Grundlagen wurde der Umweltbericht 2017 verfasst? Ist voraussehbar, wie die Umwelt 2050, 2060 oder noch später aussieht?
In vielen Bereichen werden sich der IST-Zustand der Umwelt und die Umweltauswirkungen der Oberflächeninfrastrukturen auch in 30 Jahren nicht wesentlich geändert haben. Dort wo es Änderungen gibt (z. B. Verkehrszunahme, umweltfreundlichere Baumaschinen), werden diese in den zukünftigen Bau- und Betriebsbewilligungsverfahren berücksichtigt werden können.
Der Umweltbericht 2017 befasst sich mit Wirkung bzw. Auswirkungen: Wie sehen die Massnahmen zur Vermeidung von negativen Auswirkungen aus?
Im Umweltbericht werden durchaus auch einige grundsätzlich mögliche Massnahmen zur Vermeidung negativer Auswirkungen erwähnt (z. B. die Massnahmen zum Strahlenschutz, Verwendungsmöglichkeiten für das Ausbruchmaterial, Förderbänder oder Bahn- statt Lastwagentransporte, Ersatz-Aufforstungen, Rückhaltebecken für wassergefährdende Flüssigkeiten). Da aber die Projektentwicklung noch in einem sehr frühen Stadium ist und der Bau und Betrieb des Tiefenlagers noch sehr weit entfernt sind, können konkrete Massnahmen derzeit noch nicht verbindlich beschrieben werden.