Verstärkung der Sicherheitsaufsicht über die Schweizer Stauanlagen

Bern, 19.05.2010 - Die grossen Stauanlagen der Schweiz sind sicher. Dafür sorgen hohe gesetzliche Anforderungen und die kompetente Sicherheitsaufsicht durch den Bund. Dies bestätigt eine vom UVEK in Auftrag gegebene Studie. Durch die zunehmende Zahl von Neu- und Umbauten von Stauanlagen und die Alterung der teils 60-jährigen Talsperren wird die Sicherheitsaufsicht jedoch laufend anspruchsvoller und aufwändiger. Die zuständige Aufsichtsbehörde beim Bundesamt für Energie muss deshalb nach Einschätzung der Experten dringend personell verstärkt werden (von heute 7 auf bis zu 13 Fachleute). Der Bundesrat hat heute vom zusätzlichen Personalbedarf Kenntnis genommen. Er wird darüber im Rahmen der Gesamtbeurteilung der Ressourcen im Personalbereich entscheiden.

Die Schweiz ist ein Land der Stauanlagen: Derzeit gibt es bei uns über 220 grosse Talsperren unter der Aufsicht des Bundes und rund tausend kleinere Stauanlagen unter kantonaler Aufsicht. Wie bei allen Grosstechnologien, ist auch der Betrieb der Stauanlagen mit Risiken verbunden. Die Wahrscheinlichkeit des Versagens einer Staumauer ist allerdings sehr gering, da die schweizerische Gesetzgebung hohe Anforderungen an Projektierung, Bau, Betrieb und Überwachung der Staumauern und Dämme stellt. Mögliche Schwachstellen können so rasch entdeckt und Gegenmassnahmen ergriffen werden.

Das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) ist dafür verantwortlich, dass die Schweizer Talsperren jetzt und in Zukunft ein hohes Sicherheitsniveau erreichen. Die praktische Durchführung der dafür notwendigen Sicherheitsaufsicht hat das UVEK an das Bundesamt für Energie (BFE) delegiert, wo diese Aufgabe von sieben Ingenieurinnen und Ingenieuren der Sektion Talsperren wahrgenommen wird.

In der „Weisung über die Kontrolle der Sicherheitsaufsicht mittels Audit" hat das UVEK 2008 festgehalten, dass es seine mit Sicherheitsaufsichtsaufgaben beauftragten Bundesämter regelmässig durch eine unabhängige Stelle bewerten lassen will. Das BFE wurde Ende 2009 erstmals einem solchen „Sicherheitsaudit" unterzogen, das von der deutschen Firma  DNV Industry Solutions Germany GmbH durchgeführt wurde. Ziel war, die Wahrnehmung der Sicherheitsaufsicht durch das BFE in den Bereichen Talsperren sowie Erdgas- und Erdölhochdruckleitungen systematisch zu erfassen und zu bewerten, Verbesserungspotenziale und Schwachstellen zu identifizieren und dem Generalsekretariat des UVEK allfällige Massnahmen zu deren Behebung zu empfehlen. Seit Ende Januar 2010 liegen dem UVEK die Ergebnisse des Sicherheitsaudits vor. Massnahmenpläne zur Verbesserung der Sicherheitsaufsicht sind in Vorbereitung.

Renaissance der Wasserkraft und alternde Stauanlagen = steigende Anforderungen an die Sicherheitsaufsicht

Die meisten der über 220 grossen Talsperren wurden zwischen 1950 und 1970 gebaut, so zum Beispiel auch die 1950 errichtete Anlage Grande Dixence, die mit einer Höhe von 285 Metern die höchste Staumauer der Welt ist. Ende der 1950er Jahre wurden diese grossen Talsperren unter die direkte Aufsicht des Bundes gestellt. Nach dem Bauboom konzentrierten sich die Aufsichtstätigkeiten ab den 1970er Jahren auf die Überwachung, die von einigen wenigen Fachexperten erledigt werden konnte. Der Personalbestand hat sich seither kaum verändert: Auch heute sind lediglich 7 Ingenieurinnen und Ingenieure für die Sicherheitsaufsicht über die Talsperren verantwortlich. Und dies obwohl sich das Umfeld stark verändert hat:

  • In den letzten Jahren hat eine eigentliche Renaissance der Wasserkraft eingesetzt: Erstmals seit Jahren gibt es wieder Neubauten wie Nant de Drance oder Linthal oder grosse Umbauten, die von der Aufsichtsbehörde beurteilt, bewilligt und begleitet werden müssen.
  • Die vor über 50 Jahren gebauten Stauanlagen kommen in die Jahre. Die Beurteilung der Sicherheit wird mit zunehmendem Alter anspruchsvoller und aufwändiger. Entsprechend braucht es mehr Ressourcen, um die Überwachung sicherzustellen, Instandstellungsarbeiten zu bewilligen und zu begleiten.
  • Der Bund hat seit 1999 auch die Oberaufsicht über die Kantone, die seither die Sicherheitsaufsicht über die zuvor nicht beaufsichtigten rund 1'000 kleineren Talsperren wahrnehmen.

Zu den Aufgaben der 7 Ingenieurinnen und Ingenieure des BFE gehören für jede der über 220 grossen Talsperren die Durchführung von Inspektionen vor Ort, die Begleitung von Sicherheitsstudien, die Analyse der jährlichen Sicherheitsberichte, die Beschaffung und Überprüfung der Überwachungsregelemente, die Definition von Massnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit, beispielsweise die Durchführung spezifischer Sicherheitsstudien im Falle von Alterungsphänomenen, ausserordentliche Überprüfungen z.B. bei Erdbeben oder nach Unwettern oder die Bewilligung von Neubau- und Umbauprojekten sowie die Kontrolle der Bauarbeiten. Weitere Aufgaben umfassen unter anderem die Überprüfung der Notfallplanungen der einzelnen Anlagen, die Oberaufsicht über die kantonale Sicherheitsaufsicht oder die Erarbeitung der relevanten sicherheitstechnischen Grundlagen.

Personelle Verstärkung zur Gewährleistung der Sicherheit unumgänglich

Es ist offensichtlich, dass der seit langer Zeit gleich bleibende  Personalbestand den heutigen Anforderungen nicht mehr genügt und dazu führt, dass einige Aufgaben nur oberflächlich oder mit Verzögerung durchgeführt werden können. Hauptergebnis des Sicherheitsaudits ist denn auch, dass die Sektion Talsperren die Sicherheitsaufsicht zwar mit grossem Engagement und hohem Verantwortungsbewusstsein der Mitarbeitenden wahrnimmt und bisher auch ein hohes Sicherheitsniveau gewährleisten konnte. Trotzdem muss der ungenügende Personalbestand als kritisch eingestuft werden, da er die Wahrnehmung der Sicherheitsaufsicht im erforderlichen Umfang und Zeitrahmen bereits heute gefährdet. Es besteht eine Unterdeckung von bis zu 6 Mitarbeitenden, um die anstehende Vielzahl von Projekten in der erforderlichen Qualität bewältigen zu können.

Das UVEK hat dem Bundesrat die Situation heute in einem Aussprachepapier dargelegt. Es beantragt eine vorläufige Aufstockung der Personalressourcen um 300 Stellenprozente behält sich aber vor, im Rahmen der Umsetzung der Empfehlungen des Auditsberichts und der daraus abgeleiteten Massnahmenpläne erneut Antrag für zusätzliche Personalressourcen zu stellen. Die damit zusammenhängenden Kosten können weitgehend über Einnahmen aus Gebühren gedeckt werden; im Entwurf zu einem Bundesgesetz über die Stauanlagen ist zudem die Einführung einer Aufsichtsabgabe vorgesehen. Der Bundesrat wird im Rahmen der Gesamtbeurteilung der Ressourcen im Personalbereich über den Antrag des UVEK entscheiden.

Als weitere Massnahme zur Verbesserung der Sicherheitsaufsicht soll das BFE ein Sicherheitsmanagementsystem mit einer konsequenten Planungs- und Berichtssystematik sowie ein Risikomanagementsystem einführen. Diese organisatorischen Massnahmen sollen nicht nur eine effektivere Planung und Steuerung der Aufsicht über die einzelnen Anlagen ermöglichen. Sie sollen auch die Identifikation neuer Risiken und die frühzeitige Planung von Massnahmen erleichtern.

Kasten 1: Aufsicht über die schweizerischen Talsperren
Die grossen Stauanlagen wurden in der Schweiz in der Bauboomphase zwischen 1950 und 1970 erstellt, darunter auch die imposan­ten Staumauern mit über 200 Metern Stau­höhe wie Grande Dixence VS, Mauvoisin VS, Contra TI und Luzzone TI. Zu dieser Zeit hat der Bund auch erste Massnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit getroffen: 1957 wurden die Talsperren mit einer Stauhöhe von mindestens 10 Metern  oder mindestens 5 Meter Stauhöhe und einem Fassungsvermögen von mehr als 50‘000 Kubikmetern unter Bundesaufsicht gestellt. Alle kleineren Stauanlagen standen bis Ende der 1990er Jahre nicht unter staatlicher Aufsicht. Dieser Mangel wurde mit der Stauanlagenverordnung vom 7. Dezember 1998 (StAV; SR 721.102) behoben. Demnach unterstehen seit 1999 die grossen Anlagen der Aufsicht des Bundes. Aufsichtsbehörde über die derzeit 222 in Betrieb stehenden grossen Stauanlagen ist die Sektion Talsperren des Bundesamtes für Energie. Die übrigen kleineren Stauanlagen (Staubecken für Wasserkraftnutzung, Wasserver­sorgung, Bewässerung, künstlichen Be­schneiung oder Fischzucht), die für Personen oder Sachwer­te eine besondere Gefahr darstellen, stehen unter Aufsicht der Kantone, wobei der Bund die Oberaufsicht ausübt. Die Kantone haben ein Inventar von 1'000 kleineren Anlagen erstellt und sind derzeit daran, deren Gefährdungspotenzial zu bestimmen. Wo ein Gefährdungspotenzial vorliegt, wird der Zustand der Anlage überprüft und die Überwachung nach den Bestimmungen der StAV in die Wege geleitet.
Zur Gewährleistung der Sicherheit sieht die Stauanlagenverordnung drei Säulen vor:
1.         Konstruktive Sicherheit: Die Aufsichtsbehörde genehmigt die Baupläne, überwacht die Bauausführung und bewilligt den Ersteinstau. Sie untersucht periodisch, ob die Stauanlage den Anforderungen an die konstruktive Sicherheit genügt und ordnet nötigenfalls Massnahmen zur Sicherheit des Bauwerkes an.
2.         Überwachung: Die Inhaberin der Stauanlage muss die Stauanlage während ihrer ganzen Lebensdauer überwachen, um Schäden, ein anormales Verhalten oder Gefährdungen der Anlage frühzeitig zu erkennen. Sie erstattet der Aufsichtsbehörde periodisch Bericht, und diese überprüft, ob die Überwachung den gesetzlichen Vorgaben entspricht und ob die Sicherheitsanforderungen weiterhin erfüllt sind.
3.         Notfallkonzept: Für jede unter Aufsicht stehende Stauanlage muss ein Notfallkonzept vorhanden sein, falls trotz Bauwerksicherheit und ständiger Überwachung Sicherheitsprobleme auftreten sollten. Zu den Notfallvorkehrungen gehören unter anderen Alarmierungs- und Evakuierungskonzepte. Die Aufsichtsbehörde überprüft das Vorhandensein und die Tauglichkeit der Notfallkonzepte.

Kasten 2: Stauanlagengesetz im Parlament
Gleichzeitig mit dem Entwurf zu einem Sicherheitskontrollgesetz hatte der Bundesrat den eidgenössischen Räten im Juni 2006 die Botschaft zum Bundesgesetz über die Stauanlagen unterbreitet. Nachdem das Parlament im Herbst 2009 auf das Sicherheitskontrollgesetz nicht eingetreten ist, wird nun die parlamentarische Beratung des Stauanlagengesetzes fortgesetzt.

Kasten 3: Sicherheitsaudit zur Aufsicht über die Erdgas- und Erdölhochdruckleitungen
Im Rahmen des Sicherheitsaudits wurde auch die Wahrnehmung der Sicherheitsaufsicht im Bereich der Erdgas-/Erdölhochdruckleitungen durch das BFE untersucht. Hauptergebnisse sind: Die Sektion Recht und Rohrleitungen und das Eidgenössische Rohrleitungsinspektorat (ERI) nehmen ihre Aufsichtsaufgaben in angemessener Weise wahr. Allerdings soll sowohl beim BFE als auch beim ERI eine Verstärkung der personellen Ressourcen geprüft werden.


Adresse für Rückfragen

Marianne Zünd, Leiterin Kommunikation BFE, 031 322 56 75


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