Wird das Lager verschlossen oder müssen die Abfälle rückholbar sein?
Sowohl als auch. Das Kernenergiegesetz schreibt vor, dass ein geologisches Tiefenlager nach Abschluss der Einlagerung und der Beobachtungsphase zu verschliessen ist. Während der Beobachtungsphase – ein längerer Zeitraum vor dem Verschluss, in dem das geologische Tiefenlager überwacht wird – können die radioaktiven Abfälle ohne grossen Aufwand zurückgeholt werden. Der Verschluss umfasst das Verfüllen und Versiegeln aller untertägigen Teile und der Zugänge des geologischen Tiefenlagers nach Abschluss der Beobachtungsphase. Auch nach dem Verschluss ist eine Rückholung von Abfällen unter erheblich grösserem Aufwand weiterhin denkbar; diese Möglichkeit wird allerdings vom Gesetzgeber nicht explizit gefordert.
Wird es ein End- oder ein Zwischenlager? Ist die Rückholbarkeit gewährleistet?
Ein Zwischenlager ist nur für eine bestimmte Zeit ausgelegt. Es besteht dabei die feste Absicht, eine spätere und dauerhafte Entsorgungslösung umzusetzen. Ein geologisches Tiefenlager hingegen soll die Menschen und die Umwelt langfristig und mittels passiver Barrieren vor den radioaktiven Abfällen schützen. Die technische Machbarkeit muss vor der Inbetriebnahme eines Lagers nachgewiesen und in Versuchen im Massstab 1:1 demonstriert werden. Bei einem geologischen Tiefenlager handelt es sich nicht um ein Endlager im strengeren Sinne, da die Rückholbarkeit der Abfälle bis zum endgültigen Verschluss der Anlage gewährleistet sein muss.
Das geologische Tiefenlager wird schrittweise verfüllt und so in einen passiv sicheren Zustand überführt. Während dieser Zeit ist eine erleichterte Rückholung der Abfälle möglich. Die radioaktiven Abfälle können auch nach dem Verschluss aus einem geologischen Tiefenlager zurückgeholt werden. Dies ist jedoch mit einem grösseren finanziellen und technischen Aufwand verbunden.
Wie lange muss die Rückholbarkeit der radioaktiven Abfälle aus einem geologischen Tiefenlager laut Gesetz gewährleistet sein?
Das Kernenergiegesetz fordert die Rückholbarkeit der radioaktiven Abfälle ohne grossen Aufwand bis zu einem allfälligen Verschluss des Lagers. Es legt jedoch nicht fest, für wie viele Jahre die Rückholbarkeit gewährleistet sein muss. Das heisst, die Dauer der Beobachtungsphase – die Phase vor dem Verschluss des Lagers – ist nicht gesetzlich festgelegt. Der Entscheid, das Tiefenlager endgültig zu verschliessen, wird bewusst künftigen Generationen überlassen. Die radioaktiven Abfälle können auch nach dem Verschluss aus einem geologischen Tiefenlager zurückgeholt werden. Dies ist jedoch mit einem grösseren finanziellen und technischen Aufwand verbunden.
Warum werden die radioaktiven Abfälle nicht in den stillgelegten Bunkern des Schweizer Reduits in den Alpen gelagert?
Weil dies nicht sicher wäre. Die Nutzung der stillgelegten Bunker des Schweizer Reduits in den Alpen für die Lagerung von radioaktiven Abfällen wurde immer wieder zur Diskussion gestellt. Für die Entsorgung radioaktiver Abfälle werden jedoch sehr hohe Anforderungen an die Geologie und das Gestein gestellt, welche die Bunker des Reduits nicht erfüllen. So ist beispielsweise die Langzeitstabilität ein entscheidendes Kriterium. Die Alpen sind ein tektonisch aktives Gebiet und heben sich pro Jahr ca. 1-2 mm, was die Langzeitstabilität beeinträchtigen kann. Ausserdem wurden die Bunker in den Alpen nicht im Hinblick auf die Entsorgung radioaktiver Abfälle ausgesucht bzw. ausgelegt und genügen deshalb auch baulich den hohen Sicherheitsanforderungen nicht.
Das oder die Tiefenlager? Braucht es ein Lager oder zwei?
Das Schweizer Entsorgungskonzept sieht ein Lager für hochaktive Abfälle vor und eins für schwach- und mittelaktive Abfälle. Diese verschiedenen Abfallkategorien stellen unterschiedliche Anforderungen an die technischen und natürlichen Barrieren. Erfüllt ein Standortgebiet die Anforderungen für beide Lagertypen, kann das Auswahlverfahren zu einem gemeinsamen Standort für alle radioaktiven Abfälle führen (Kombilager). An der Oberfläche bräuchte es dann nur eine gemeinsame Infrastruktur, im Untergrund gäbe es jedoch je ein separates Lager pro Abfallkategorie. Alle drei in Etappe 3 des Sachplans geologische Tiefenlager weiter zu untersuchenden Standortgebiete sind grundsätzlich für ein Kombilager geeignet.
Wie wissen wir, ob die Entscheidung für ein geologisches Tiefenlager standhält?
Die Experten sind sich weltweit einig: die Endlagerung in tiefen Gesteinsschichten ist die beste Methode für die langfristig sichere Entsorgung von radioaktiven Abfällen. Die Lagerung in geeignetem Gestein gewährleistet den Schutz von Mensch und Umwelt vor schädlichen Auswirkungen über lange Zeiträume bis die Radioaktivität durch den fortlaufenden Kernzerfall auf ein natürliches Niveau abgeklungen ist.
Der Kenntnisstand wird im Sachplanverfahren schrittweise vertieft, damit der Einbezug neuster Erkenntnisse jederzeit möglich ist. Sollten sich nach der erfolgten Einlagerung bessere Lösungen abzeichnen (z. B. bei einem Wissens- und Technikfortschritt), so ist die Rückholung der Abfälle grundsätzlich auch nach dem Verschluss des Lagers möglich.
Welche Rolle spielt die Geologie beim Standortentscheid?
Die geologischen Eigenschaften des Untergrunds stehen im Sachplan im Vordergrund. Gewisse definierte Sicherheitskriterien müssen erfüllt sein. Die Geologie der Schweiz ist seit mehr als 200 Jahren Gegenstand intensiver Forschung. Dank ihr kennen wir die geologischen Verhältnisse in der Schweiz sehr gut. Zudem hat die Nagra schon seit den 1980er Jahren umfangreiche erdwissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt, welche den Kenntnisstand zusätzlich vertiefen. In Etappe 2 hat die Nagra für weitere erdwissenschaftliche Untersuchungen Gesuche für Sondierbohrungen in den vorgeschlagenen Standortgebieten eingereicht. Diese wurden zwischen Sommer 2018 und Sommer 2020 bewilligt. Seit dem Frühjahr 2019 führt die Nagra Sondierbohrungen aus.
Welche Rolle spielt die Geologie bezüglich Sicherheit?
Ein geologisches Tiefenlager besteht aus technischen und natürlichen Barrieren. Die natürliche Barriere der Geosphäre, das heisst der am Standort vorhandenen Geologie, sorgt für die räumliche Abtrennung der Abfälle von der Biosphäre (Mensch und Umwelt). Sie garantiert ferner eine langfristig physikalisch und chemisch stabile Umgebung, in welcher die technischen Barrieren über lange Zeit erhalten und wirksam bleiben.
Wird die Geologie durch unabhängige internationale Gutachten geprüft?
Eine von Deutschland gebildete «Expertengruppe Schweizer Tiefenlager» begleitet das Schweizer Standortauswahlverfahren. Sie hat bereits mehrere Stellungnahmen verfasst. Sie fliessen wie auch die Stellungnahmen anderer Fachstellen in die Gesamtbeurteilung des Bundesamtes für Energie ein.
Eine internationale Überprüfung ist nicht ausgeschlossen, vorgeschrieben ist sie nicht. Die Analyse der Langzeitsicherheit als Teil des Entsorgungsnachweises wurde z. B. von einer internationalen Expertengruppe überprüft.
Wieso wird im Sachplan vorwiegend nach geologischen Gesichtspunkten gewichtet, gesellschaftliche Risiken/Kriterien fliessen aber weniger ein?
Oberstes Ziel der Entsorgung der radioaktiven Abfälle ist der langfristige Schutz von Mensch und Umwelt vor Schäden durch Radioaktivität. Weltweit ist anerkannt, dass für hochaktive und langlebige mittelaktive Abfälle nur die Lagerung in geeigneten geologisch stabilen Schichten die Sicherheit über die notwendigen langen Zeiträume gewährleisten kann.
Basierend auf grundsätzlichen Erwägungen sowie den gesetzlichen Grundlagen zur Lagerung der radioaktiven Abfälle ergibt sich für die Standortwahl folgende Hierarchie (BFE 2008b):
- Oberste Priorität hat die Sicherheit; der dauernde Schutz von Mensch und Umwelt muss sichergestellt werden. Dazu ist der Einschluss der radioaktiven Stoffe so lange sicherzustellen, bis die Radiotoxizität durch Zerfall genügend abgeklungen ist.
- Der Sicherheit nachgeordnet sind Aspekte der Raumnutzung, Ökologie, Wirtschaft und Gesellschaft.
Für die Platzierung und Ausgestaltung der Oberflächeninfrastruktur sind die Aspekte der Raumnutzung, Ökologie, Wirtschaft und Gesellschaft wichtig. In der Etappe 2 des Sachplans geologische Tiefenlager nehmen diese deshalb einen wichtigen Stellenwert ein: So wurden ein Raumnutzungskataster erstellt, eine sozioökonomisch-ökologische Wirkungsstudie (SÖW) und die regionale Partizipation durchgeführt. Die SÖW kommt insbesondere bei sicherheitstechnisch vergleichbaren Standorten zum Tragen. Die Suche nach geeigneten Standortgebieten beruht daher primär auf sicherheitstechnischen Kriterien.
Wie und wo wird der Aushub für den Bau von Lager, Tunnels und Schächten gelagert?
Festlegungen zur Verwendung von Aushub- oder Ausbruchmaterial erfolgen nicht im Rahmen des Sachplanverfahrens. Es sind Aspekte, die mit der Baubewilligung geklärt werden müssen. Denkbar ist die Ablagerung in vorhandenen oder neu zu erstellenden Deponien oder auch zur Geländemodellierung z. B. in der Nähe der Tunnelportale oder Schachtköpfe. Für die Festlegung werden die dannzumaligen Gegebenheiten in einigen Jahrzehnten und Anforderungen (auch der Region) berücksichtigt.
Wie werden die Anlagen erschlossen? Mit wie viel Mehrverkehr und Immissionen aller Art ist zu rechnen?
Mit dem Nagra Arbeitsbericht NAB 19-08 wurden erste Möglichkeiten zur Erschliessung der Oberflächeninfrastruktur aufgezeigt. Die Erschliessung wird in groben Zügen im Sachplanverfahren andiskutiert, mit der Rahmenbewilligung jedoch nicht festgelegt. Dies erfolgt erst mit der Baubewilligung. Neben der eigentlichen Erschliessung will man dannzumal auch möglichst effiziente und emissionsarme Logistiksysteme einsetzen (z. B. Abtransport von Ausbruchmaterial mit Förderbändern).
Beim Bau eines Tiefenlagers werden womöglich über 20 Hektaren Land gebraucht. Teilweise sind dies Fruchtfolgeflächen. Was bedeutet das?
Der grösste Flächenbedarf temporärer und längerfristig belegter Flächen besteht im Fall eines Kombilagers während der Phase von gleichzeitiger Einlagerung von schwach- und mittelaktiven Abfällen und dem Bau des Lagerteils für hochaktive Abfälle. In diesen rund 10 bis 15 Jahren ist insgesamt von einem Bedarf in der Grössenordnung von ungefähr 20 Hektaren auszugehen, wobei nicht ausschliesslich Fruchtfolgeflächen beansprucht sein werden. Während den übrigen Betriebsphasen (oder im Falle zweier Einzellager) ist der Flächenbedarf teils deutlich geringer, insbesondere in den Phasen ohne Baubetrieb (z. B. Betrieb der Erdwissenschaftlichen Untersuchungen oder Beobachtungsphasen). Details zu den Betriebs, Bau- und Betriebsphasen sind im Nagra Arbeitsbericht NAB 19-08 zu finden (generisch und standortspezifisch).
Kann der Flächenverbrauch optimiert werden?
Bei der weiteren Konkretisierung der Infrastruktur an der Oberfläche lassen sich durch Optimierungen und Nutzung von Synergien voraussichtlich Flächenreduktionen realisieren.
Ist eine Bewertung der Sicherheit über eine Million Jahre möglich? Besteht ein Restrisiko?
Im Unterschied zu den Prozessen an der Erdoberfläche laufen die meisten Prozesse im Erdinnern über Jahrmillionen ab. Die in der Schweiz zur Diskussion stehenden Wirtgesteine sind viele Millionen Jahre alt und haben in den ausgeschiedenen geologischen Standortgebiete seit ihrer Entstehung keine übermässigen Beeinträchtigungen durch weitere geologische Prozesse erlitten. Geologen können in diesen Gesteinen die Geschichte seit deren Entstehung ablesen und Ereignisse daraus datieren. Die Vergangenheit ist der Schlüssel zur zukünftigen Entwicklung. Aus den Beobachtungen der Vergangenheit lässt sich die wahrscheinliche Entwicklung voraussagen. Es werden auch diverse andere, ungünstige Szenarien betrachtet, selbst geologisch unwahrscheinliche. Alle Szenarien müssen eine Million Jahre lang die von der Sicherheitsbehörde definierten Schutzkriterien erfüllen.
Welche Garantie gibt es, dass die Sicherheit oberste Priorität hat?
Die Gesetzgebung und der Sachplan definieren klar, dass das oberste Ziel der Entsorgung der langfristige Schutz von Mensch und Umwelt ist. In allen drei Etappen des Sachplans findet eine sicherheitstechnische Überprüfung durch das ENSI statt. Die Kommission für nukleare Sicherheit (KNS), die Expertengruppe Geologische Tiefenlager (EGT) und die Kantonale Expertengruppe Sicherheit (KES) beurteilen danach die Unterlagen der Nagra sowie das sicherheitstechnische Gutachten des ENSI. Unsicherheiten müssen benannt werden und die Nagra muss aufzeigen, wie diese im weiteren Verfahren berücksichtigt werden.
Weil Sicherheit übergeordnet ist, obliegt die definitive Entscheidung über die Standorte nicht den Regionen, sondern basiert auf der sicherheitstechnischen Beurteilung. Nur wenn mehrere Standorte diesbezüglich gleich gut abschneiden, kommen weitere Kriterien zum Zug.
Link:
Was geschieht, wenn sich während der Bau- oder Betriebsphase zeigt, dass der Standort doch nicht geeignet ist?
Die Betriebsbewilligung für geologische Tiefenlager wird erst erteilt, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: Erstens müssen die Erkenntnisse aus der Bauphase die Eignung des Standortes bestätigen und zweitens muss die Rückholung der Abfälle bis zum Verschluss ohne grossen Aufwand möglich sein.
Der Betreiber muss die Abfälle so verfüllen, dass die Langzeitsicherheit gewährleistet und eine Rückholung der Abfälle ohne grossen Aufwand möglich ist. Wenn es während der Betriebsphase Hinweise auf ein Versagen des Barrierensystems gibt und deshalb die Langzeitsicherheit eines geologischen Tiefenlagers nicht mehr gewährleistet werden kann, müssen die Abfälle wieder zurückgeholt werden. In der Rahmenbewilligung müssen gemäss Gesetz Kriterien festgelegt. Werden diese nicht erfüllt, muss ein Lagerbereich ausgeschlossen werden. Und die Rückholung der Abfälle ohne grossen Aufwand muss in jedem Fall bis zum Verschluss des Lagers gewährleistet sein, falls beispielsweise die Langzeitsicherheit gefährdet ist.
Wie wird das Lager über einen extrem langen Zeitraum gesichert? Welche Dokumentation und welche Handlungsmöglichkeiten sind für die Zeit nach der Versiegelung vorgesehen?
Die Nagra ist für den Informationserhalt und -transfer bis zur Übergabe an das zuständige Departement UVEK (nach Verschluss bzw. bis Ende der Beobachtungsphase) verantwortlich.
International führte die OECD/NEA von 2011–2018 das Projekt "Preservation of Records, Knowledge and Memory across generations” (RK&M) durch. Bei diesem haben die Nagra und das BFE aktiv mitgewirkt. Der Schlussbericht von 2019 hält fest, dass künftige Generationen in der Lage sein sollen, eigene, informierte Entscheidungen über geologische Tiefenlager zu treffen. Die Überlieferung von Informationen über lange Zeiträume soll über eine Kombination von Methoden sichergestellt werden.
Als Handlungsmöglichkeit nach dem Verschluss des Tiefenlagers ist festzuhalten, dass Abfallgebinde prinzipiell durch ein Auffahren eines Bergwerks geborgen werden können, solange sie ausreichend stabil sind. Das ENSI verlangt, dass Behälter für hochaktive Abfälle für mindestens tausend Jahre den Einschluss der Abfälle gewährleisten.
Wie werden das Grundwasser und das Tiefengrundwasser (thermische Quellen) geschützt?
Bei der Nutzung der Kernenergie müssen Mensch und Umwelt vor Gefährdungen durch ionisierende Strahlen geschützt werden. Radioaktive Stoffe dürfen nur in nicht gefährdendem Umfang freigesetzt werden. Gegen eine unzulässige Freisetzung radioaktiver Stoffe muss also vorgesorgt werden.
Damit eine Anlage bewilligungsfähig ist, muss sie allen Sicherheitsanforderungen entsprechen und alle Risiken ausschliessen. Grundwasser und Thermen werden geschützt, sonst wird keine Bewilligung erteilt.