Nicht jeder Biotreibstoff ist umweltfreundlich

Bern, 22.05.2007 - Biotreibstoffe(1) sind nicht zwingend umweltfreundlicher als fossile Treibstoffe. Dies zeigt eine aktuelle Studie(2), die im Auftrag der Bundesämter für Energie, Umwelt und Landwirtschaft die ökologischen Bilanzen der verschiedenen Biotreibstoffe untersucht hat. Bei den meisten zeigt sich ein Zielkonflikt zwischen der Minimierung der Treibhausgasemissionen und einer positiven ökologischen Gesamtbilanz.

Obwohl Biotreibstoffe aus erneuerbaren Rohstoffen bestehen, kann bei deren Anbau und Verarbeitung ein breites Spektrum von Umweltbelastungen entstehen. Dieses reicht von Überdüngung und Versauerung des landwirtschaftlichen Bodens bis hin zum Verlust der Artenvielfalt. Die Ausdehnung der landwirtschaftlichen Energieproduktion steht zudem in Konkurrenz mit anderen Formen der Landnutzung wie der Nahrungsmittelproduktion oder dem Erhalt natürlicher Flächen. Für die ökologische Bewertung der Biotreibstoffe über ihren gesamten Lebenszyklus müssen daher neben der energetischen Effizienz und den Treibhausgasreduktionen auch weitere Indikatoren betrachtet werden. Dies erfolgt mit der Methodik der Ökobilanzierung, mit welcher die Umweltauswirkungen von Stoff- und Energieflüssen analysiert werden können. Damit lassen sich jedoch keine Aussagen zu ökonomischen oder sozialen Faktoren machen.

Zielkonflikt zwischen Treibhausgasreduktion und Umweltbelastung

Die Studie zeigt, dass mit einer ganzen Reihe von Biotreibstoffen zwar eine Treibhausgasreduktion von mehr als 30% im Vergleich zu Benzin erzielt werden kann. Anbau und Herstellung dieser Biotreibstoffe verursachen jedoch bei mehreren anderen Umweltindikatoren oft höhere Belastungen als Benzin und Diesel.

Umweltbelastung durch den Anbau der Rohstoffe

Zentrale Erkenntnis der vorliegenden Studie ist, dass bei Biotreibstoffen der Grossteil der Umweltbelastungen durch den Anbau der Rohstoffe verursacht wird. Im Falle der tropischen Landwirtschaft ist dies primär die Brandrodung von Regenwaldflächen. Diese setzt grosse Mengen an CO2 frei, erhöht die Luftbelastung (insbesondere durch Feinstaub und Smog) und beeinträchtigt die Biodiversität stark. Dieser Problematik kann mit konkreten Zertifizierungsrichtlinien für Biotreibstoffe Rechnung getragen werden. Beim Anbau in gemässigten Klimazonen tragen der niedrige Flächenertrag, die teils intensive Düngung und die mechanische Bodenbearbeitung zu den höheren Umweltbelastungen bei.

Gute Resultate für Abfall, Reststoffe und Holz

Die energetische Nutzung von Abfall- und Reststoffen schneidet hinsichtlich ihrer Ökobilanz gegenüber den fossilen Treibstoffen am besten ab, da einerseits die hohen Belastungen aus der Rohstoff-Bereitstellung wegfallen und andererseits Umweltemissionen aus der Abfallbehandlung reduziert werden können. Ebenfalls gute Ergebnisse zeigt die energetische Nutzung von Holz, da hier die Umweltauswirkungen bei der Rohstoff-Bereitstellung sehr gering sind.

Im Gegensatz zu den fossilen Treibstoffen lassen sich die Umweltauswirkungen von allen untersuchten Biotreibstoffen (Bioethanol, Biomethanol, Biodiesel und Biogas) durch gezielte Massnahmen deutlich verringern. Es ist daher zu erwarten, dass die Optimierung bestehender und die Entwicklung neuer Verfahren in Zukunft bessere Bewertungen ergeben.

Bedarf für weitere Arbeiten im Bereich der Ökobilanzierung

Die Studie wurde von der EMPA auf der Basis der Daten aus ecoinvent(3), der weltweit führenden wissenschaftlichen Datenbank für Ökobilanz-Basisdaten, durchgeführt. In einem Vorprojekt wurden fehlende Datensätze, zum Beispiel für die Produktion von Ethanol aus brasilianischem Zuckerrohr, von verschiedenen Institutionen gemäss den ecoinvent Qualitäts­richtlinien erarbeitet. Diese neuen Datensätze werden in die nächste Version des ecoinvent-Datenbestandes integriert. Es zeigt sich jedoch, dass in gewissen Produktionsprozessen rasche Fortschritte erfolgen können (zum Beispiel die Reduktion der Methanverluste bei der Biogasproduktion) oder dass neue Produkte auf den Markt kommen (zum Beispiel Jatro­phaöl). Deshalb ist in den nächsten Jahren eine regelmässige Aktualisierung der Datenlage vordringlich, damit weiterhin wissenschaftlich korrekte Aussagen gemacht werden können.

Schlussfolgerung aus der Sicht der Auftraggeber

Die Studie zeigt die Erfolg versprechenden Anbau- und Produktionsverfahren für Biotreibstoffe auf. Dabei bestehen unterschiedliche Optimierungspotenziale. Nicht in jedem Fall stellt die Treibstoffgewinnung die optimale Nutzung der Biomasse dar. Da die Potenziale beschränkt sind, führt kein Weg an einer sparsameren und effizienteren Energieverwendung vorbei.

(1) Biotreibstoffe bzw. biogene Treibstoffe sind Treibstoffe, die aus Biomasse hergestellt werden. Im neuen Mineralölsteuergesetz Artikel 2, Absatz 3, Buchstabe d ist die Rede von Treibstoffen aus erneuerbaren Rohstoffen. Biotreibstoffe sind somit eine Teilmenge dieser Gruppe.

(2) Ökobilanz von Energieprodukten: Ökologische Bewertung von Biotreibstoffen. Schlussbericht, April 2007. Im Auftrag des Bundesamtes für Energie, des Bundesamtes für Umwelt und des Bundesamtes für Landwirtschaft.
Empa, Abteilung Technologie und Gesellschaft, St. Gallen: R. Zah, H. Böni, M. Gauch, R. Hischier, M. Lehmann, P. Wäger
Download: www.bfe.admin.ch

(3) www.ecoinvent.ch


Adresse für Rückfragen

BFE: Marianne Zünd, Leiterin Kommunikation BFE, 031 322 56 75 / 079 763 86 11;
Bruno Guggisberg, Bereichsleiter Biomasse und Kleinwasserkraftwerke, 031 322 56 40

BAFU: Mediendienst, 031 322 90 00

BLW: Reto Burkard, Bundesamt für Landwirtschaft, Stabsstelle Ökologie, 031 322 58 77

Autor der Studie: Rainer Zah, EMPA, St. Gallen, Leiter der Gruppe Life Cycle Assessment & Modelling (LCAM), 071 274 78 49 oder 078 749 97 41

Projektleiter Datenerhebung, Projektkoordination: Niels Jungbluth, ESU-services GmbH, Uster, 044 940 61 32 / 076 536 26 63



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